Ein Roguelike im Elden-Ring-Universum? So verlockend diese Vision auch ist – Nightreign zeigt sich aktuell eher als wankender Schatten seines übermächtigen Vorbilds.
Ein Roguelike im Elden-Ring-Universum? So verlockend diese Vision auch ist – Nightreign zeigt sich aktuell eher als wankender Schatten seines übermächtigen Vorbilds.
FromSoftware wagt mit diesem Spin-off Neuland – zumindest teilweise. Denn während Setting und Ästhetik vertraut wirken, dreht sich in Nightreign alles um Multiplayer-Koop, Permadeath und einen Timer, der selbst gestandenen Tarnished die Schweißperlen auf die Stirn treibt.
„Es ist wie Limgrave – nur schlimmer.“ So könnte man das neue Gebiet Limveld wohl am besten beschreiben. Vertraut, aber zerschmettert, düster und im ständigen Wandel. Wo einst Wölfe heulten und Ritter patrouillierten, regieren nun Blaue Flammen, vulkanischer Fallout und der nicht ganz so freundliche Tod. Die Welt ist prozedural zusammengesetzt, von Run zu Run anders, aber stets bedrohlich und düster (ganz wie man's von FromSoftware kennt) – mal verschlingt euch der Regen, mal der Kreis aus blauer Flamme, der euch gnadenlos in Richtung Boss treibt. Klingt spannend? Ist es auch. Für etwa eine halbe Stunde. Danach merkt man: Das System will, dass ihr hetzt – nicht, dass ihr erkundet. Das ist atmosphärisch stark, wirkt aber schnell überladen und unübersichtlich.
Ein Run in Nightreign gliedert sich in drei Spieltage:
Klingt machbar, wäre da nicht ein „Fortnite-eskes“ Feature: Ein tödlicher, blauer Feuerring schrumpft die Karte minütlich zusammen. Der Timer drängt gnadenlos – egal, ob man alleine oder im Team unterwegs ist. Das treibt die Spannung, aber auch den Frust in die Höhe.
Mit Nightreign versucht FromSoftware, den Multiplayer-Geist von Elden Ring auf ein ganz neues Fundament zu stellen: Drei Spieler, drei Tage, ein schwindendes Zeitfenster, ein Höllenritt. Wer Seamless-Coop-Mods gefeiert hat, bekommt hier endlich eine offizielle Dosis echter Koop-Action – nur leider nicht ganz so nahtlos, wie man hoffen würde. Und leider ohne Ingame-Chat. Wer keine externe Voice-App nutzt, darf Marker setzen und auf Gehorsam hoffen.
Wer solo loszieht, wird hart bestraft. Die Balance ist zwar angepasst, aber der Timer bleibt gleich. Loot ist rar, Kämpfe dauern länger, und spätestens beim ersten Boss endet der Alleingang in Frust. Eine Zwei-Spieler-Option oder KI-Kompagnon? Fehlanzeige.
Relikte bilden die Meta-Progression zwischen Runs – theoretisch. Praktisch stapeln sich schnell passive Effekte, die entweder nutzlos oder unpassend für die eigene Klasse sind. Dazu gesellt sich ein Relikt-Gacha-Shop, der euer Inventar mit noch mehr Ramsch füllt. Wer auf sinnvolle Builds hofft, braucht entweder Glück, Geduld – oder beides.
Immerhin: Waffenrestriktionen wurden gelockert. Endlich könnt ihr experimentieren, ohne die Seele eures Charakters neu zu skillen – ein Schritt in die richtige Richtung.
Die acht Klassen decken bekannte Archetypen ab, von Krieger bis Zauberin.
Besonders cool: Die Duchess mit Unsichtbarkeitsmantel und Zeituhr. Weniger cool: Der Executor, der auf Konter ausgelegt ist – eine Qual, wenn Mitspieler ständig Gegner-Animationen unterbrechen.
Besonders kreativ: Die Duchess, die mit einer Taschenuhr doppelten Schaden verteilt und sich in die Unsichtbarkeit verabschiedet. Weniger gelungen: Der Executor, dessen Parier-Fokus im chaotischen Multiplayer komplett untergeht, sobald ein Mitspieler durchs Bild springt.
Dafür überzeugt der Revenant: ein Beschwörer mit riesigem Knochengolem an der Seite – und eine klare Kampfansage an alle, die in Elden Ring ihre Nekroträume begraben mussten.
Nightreign funktioniert nach dem Roguelike-Prinzip: Neue Karte, neue Ausrüstung, permadeath light. Jeder Run dauert etwa 45 bis 60 Minuten – und fühlt sich deutlich stressiger an als das klassische Hollow-gegen-alles. Das liegt nicht nur am Zeitdruck, sondern auch daran, dass das Spiel keine Gnade kennt. Vor allem Solo-Spieler werden hier schnell zur Beute des blauen Kreises, bevor sie den ersten Boss überhaupt richtig ankratzen konnten. Ja, es gibt einen Einzelspielermodus – aber ehrlich gesagt: Tut euch das nicht an.
Der Roguelike-Fortschritt basiert auf Relikten – zufällig generierte Items mit passiven Effekten. Blöd nur, dass die meisten Effekte entweder nutzlos oder unpassend für die gespielte Klasse sind. So türmen sich in der Truhe Buffs für Waffen, die man nie findet.
Besser sind die Remembrances: Charakterspezifische Mini-Quests, die mehr über die „Nightfarers“ erzählen. Hier kommt etwas Seele ins Spiel, doch auch diese Events stören oft den Spielfluss – besonders im Koop.
Die Bossauswahl ist eine Mischung aus neuen Kreationen und Altbekannten. Leider sind viele der zufällig gewählten Widersacher nicht auf Nahkämpfer ausgelegt – was ironisch ist, da die Hälfte der Klassen auf Nähe baut.
Und dann wären da noch die Nightlords: Riesige HP-Schwämme mit Spezialmechaniken, die oft frustrieren statt fordern. Beispiel gefällig? Maris, Fathom of Night – eine fliegende Qualle, die euch permanent einschläfert und nebenbei Schaden über Zeit verursacht. Hat man keine Ahnung, wie man ihre Angriffe unterbricht, ist der Tod unausweichlich.
Dazu kommt: Wer Pech hat, begegnet in einem Run fünfmal dem gleichen Boss. Hallo, Wurmgesicht. Schön, dich schon wieder zu sehen. Nicht.
Und trotzdem… gibt es sie. Diese FromSoft-Magie. Das befriedigende Klirren eines gebrochenen Stance. Der Gänsehautmoment, wenn der letzte Boss fällt – mit letzter Kraft, letzter Flasche, letztem Schrei im Discord. Dann ist Nightreign plötzlich das, was es sein will: ein verdammt gutes Multiplayer-Roguelike.
Komplett-Neulinge werden überfordert, Veteranen enttäuscht – Nightreign lebt irgendwo dazwischen. Es macht Spaß, wenn alles zusammenpasst: das Team harmoniert, die Ausrüstung passt, die Bosse fair sind. Aber wehe, das Glück verlässt euch – dann ist der Frust nicht weit.
Elden Ring: Nightreign hat das Potenzial, Koop-Fans ein neues Zuhause zu geben – aber noch fehlt es an Balance, Struktur und Komfortfunktionen. Wenn FromSoftware an den Stellschrauben dreht (und das tun sie bekanntlich gerne), könnte daraus ein echtes Multiplayer-Highlight werden.
Elden Ring: Nightreign ist ein ambitionierter, aber noch unfertiger Ableger, der sich zwischen zwei Genres verliert. Zu hektisch für echte Erkundung, zu zufallsabhängig für gezielte Builds und zu unausgeglichen für Solisten oder Anfänger.
Das Grundgerüst ist solide, das Kampfsystem wie gewohnt exzellent, und Koop-Momente haben echtes Highlight-Potenzial. Doch Frust, Balancing-Probleme und die fragwürdige Zielgruppe nagen am Spielspaß.
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